31 Mag 2025, Sab

Warst du gerührt? Dann bist du ungeeignet?

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Verletzlichkeit in der Pflege

Im Gesundheitswesen gelten Emotionen oft als Störung. Etwas, das man schnell beherrschen oder hinter einer professionellen Fassade verbergen sollte. Doch Menschen, die in der Pflege arbeiten, sind täglich mit bedeutungsvollen Erfahrungen konfrontiert: dem Leid anderer, Verlust, Dankbarkeit, Ohnmacht. Es gibt keinen Filter, der wirklich schützt. Man kann lernen, mit diesen Emotionen umzugehen – aber nicht, sie auszublenden.

In vielen Einrichtungen gilt es noch immer als Schwäche, sich berühren zu lassen. Es wird suggeriert, dass eine gute Pflegekraft kühl bleiben muss, als wäre emotionale Distanz gleichbedeutend mit Kompetenz. Doch was verlieren wir, wenn wir diesem Ideal folgen?

Das Bild der emotional neutralen Fachkraft

Das angeblich ideale Pflegepersonal ist klar, stabil, rational. Nie betroffen, nie aufgewühlt. Dieses Bild basiert jedoch auf einer Vereinfachung, die die Komplexität zwischenmenschlicher Arbeit ausblendet. Niemand ist immun gegen Leid. Und wer es geworden ist, riskiert auch, sich von dem zu entfremden, was Pflegebeziehungen wirklich wirksam macht.

Emotionale Präsenz steht der Professionalität nicht im Weg – im Gegenteil, sie macht sie authentischer und zielgerichteter. Das Erleben des anderen zu verstehen, bedeutet nicht, sich darin zu verlieren, sondern zwischen den Zeilen lesen zu können. Das erfordert emotionale Intelligenz, nicht Kälte.

Gefühle und Klarheit: kein Widerspruch

Der Fehler liegt nicht im Fühlen, sondern im Ignorieren der Funktion von Emotionen. Eine bewusst angenommene Emotion kann Entscheidungen leiten, Bedürfnisse aufzeigen, ethische Fragen anstoßen. Dagegen führt das systematische Unterdrücken zu einer inneren Leere, zu einer Distanz, die sich in Gleichgültigkeit oder Automatismus verwandeln kann.

Viele Fachpersonen stellen mit der Zeit fest, dass das eigentliche Problem nicht darin liegt, sich ab und zu zu rühren – sondern darin, nichts mehr zu empfinden. In diesem emotionalen Schweigen kann sich ein Burnout, eine Entfremdung, ein Rückzug verbergen.

Empathie als Stärke, nicht als Risiko

Empathisch zu sein heißt nicht, sich unkritisch in die Gefühle anderer einzufühlen. Es bedeutet, sie zu erkennen, zuzulassen und dennoch im eigenen beruflichen Rahmen zu bleiben. Empathie verbessert die Kommunikation, hilft, Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen, und stärkt die therapeutische Beziehung. Allein das Gefühl, dass jemand wirklich anwesend ist, kann die Erfahrung eines Patienten verändern.

Emotionen zu verdrängen heißt nicht, sie zu löschen. Sie wirken im Verborgenen weiter, oft unkontrollierbar. Nicht selten brechen Menschen, die sich vollständige Neutralität auferlegen, in unpassenden Momenten aus – oder entwickeln Zynismus als Schutzmechanismus.

Eine neue Vorstellung von Professionalität

Professionell zu sein bedeutet nicht, eine emotionslose Rolle zu spielen. Es bedeutet, sich selbst zu kennen, eigene Grenzen zu akzeptieren, und zu verstehen, dass manche Situationen persönliche Seiten berühren. Es bedeutet auch, jedes Mal bewusst zu entscheiden, wie man anwesend bleibt – auch im Unbehagen, ohne sich zu verleugnen oder unterzugehen.

Technische Kompetenz ist wichtig – aber nicht genug. Menschen in der Pflege benötigen auch Beziehungsfähigkeit, ethisches Bewusstsein und emotionale Intelligenz. Erst wenn all das zusammenspielt, entsteht eine wirklich wirksame und tragfähige Praxis.

Sich zu rühren ist kein Fehler. Es ist ein Zeichen, dass wir noch den Menschen sehen – nicht nur den Fall. Eine Spur von Menschlichkeit, die – richtig integriert – zu einer Stärke werden kann.

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