29 Mag 2025, Gio
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In der Pflege ist der Kontakt mit Angehörigen Teil des Alltags – und zugleich eine der sensibelsten Herausforderungen. Wer im Spital, im Pflegeheim oder in einer anderen gesundheitlichen Einrichtung arbeitet, weiß es nur zu gut: Es gibt Angehörige, die respektvoll, kooperativ und fürsorglich sind. Und es gibt die anderen – jene, die scheinbar nur kommen, um Fehler zu suchen.

Manchmal reicht wenig: ein Glas, das zu weit weg steht, ein Pyjama zur “falschen” Zeit gewechselt, ein hastig gesprochenes Wort. Winzige Vorfälle, die zu Beschwerden, Meldungen oder vorwurfsvollen Blicken führen.

Doch oft – gerade wenn die eigenen Nerven vor dem Urlaub blank liegen – lohnt sich ein zweiter Blick: Hinter dem, was uns feindselig oder übertrieben erscheint, steckt häufig ein zutiefst menschliches, wenn auch schwer greifbares Gefühl.

Hinter der Kritik: eine stille Schuld

Abgesehen von Ausnahmen (psychische Erkrankungen, aggressive Persönlichkeiten oder negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem) sind viele Angehörige nicht misstrauisch aus Prinzip, sondern weil sie innerlich mit einer schwierigen Realität ringen.

Wenn ein geliebter Mensch aus gesundheitlichen Gründen in eine Pflegeeinrichtung kommt, entsteht bei den Zurückbleibenden oft ein Gefühl des Scheiterns – meist unausgesprochen. Kaum jemand sagt offen: „Ich konnte nicht mehr, ich brauchte Hilfe.“ Stattdessen äußert sich das schlechte Gewissen anders: als Fixierung auf Details. Das „Wie“ überlagert das „Warum“.

Jeder vermeintliche Fehler bestätigt insgeheim die Angst, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Und dieser innere Druck entlädt sich – auf die Pflegenden, die greifbar und ständig präsent sind.

Wenn Wut ein Kitt ist

Nicht selten sind die “schwierigsten” Angehörigen auch die engagiertesten. Sie kommen täglich, prüfen Medikamentenlisten, stellen kritische Fragen. Es wirkt kontrollierend – doch oft ist es ein Versuch, Halt zu finden in einer Situation, die ihnen entgleitet. Tun ersetzt Akzeptanz – weil Akzeptanz schlicht zu schmerzhaft wäre.

Für das Personal kann das sehr belastend sein. Aber zu wissen, dass hinter der Härte oft Schmerz steckt – und kein persönlicher Angriff –, hilft, eine professionelle Distanz zu bewahren.

Die Kritischsten sind oft die Dankbarsten

Viele Pflegende wissen es: Oft sind es gerade jene Angehörigen, die während des Aufenthalts am anstrengendsten waren, die nach dem Tod des Bewohners am meisten Dankbarkeit zeigen.

Wenn der Druck fällt und nichts mehr “verteidigt” werden muss, wird sichtbar, was erkannt und geschätzt wurde – trotz allem. Dann kommen warme Worte, ehrliche Gesten, ein Brief auf der Station:
„Danke für Ihre Geduld. Ich weiß, es war nicht leicht. Aber Sie haben alles getan.“

Diese Momente versöhnen. Sie geben Sinn. Und erinnern daran, warum dieser Beruf es wert ist.

Emotionen mittragen – ohne unterzugehen

Pflegen heißt: Emotionen begegnen. Nicht nur die der Patient:innen, sondern auch die der Angehörigen. Nicht immer wird man mit Vertrauen empfangen. Manchmal wird man Projektionsfläche – für Angst, Frust, Trauer.

Das bedeutet nicht, alles hinzunehmen oder jedes Verhalten zu entschuldigen. Berufliche Grenzen sind nötig – und schützend. Aber Verständnis für die Hintergründe mancher Reaktionen hilft, Kritik nicht automatisch als Angriff zu sehen – sondern als Ausdruck von Überforderung.

Angehörige sind keine Schlangen – auch wenn sie manchmal zubeißen. Sie sind Menschen, die auf ihre Weise mit Krankheit, Kontrollverlust und Verlust umgehen.

Und manchmal ist ihr einziger Weg, dabei zu bleiben, der, besonders wachsam zu sein – über das Nötige hinaus.

In dem Moment ist das schwer zu ertragen. Doch mit der Zeit sehen viele Pflegende diese Angehörigen in einem anderen Licht. Nicht als Gegner, sondern als Menschen mit vielen unbeantworteten Fragen. Verständnis heißt nicht, alles aufzunehmen – aber mitfühlend und klar zu bleiben. Und manchmal entdeckt man hinter all der Strenge ein großes Bedürfnis: wieder vertrauen zu dürfen.

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