31 Mag 2025, Sab

Halbernster Ernsthafter Pflege-Bestiarium

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Jede Station hat ihre legendären Gestalten. Man findet sie in keinem Lehrbuch, doch jeder erkennt sie sofort. Es sind Kolleginnen, die im Laufe der Zeit so typische Eigenschaften angenommen haben, dass sie zu mythischen Figuren geworden sind – fast Archetypen. Sie erscheinen in Schlüsselmomenten, beeinflussen die Gruppendynamik und gehören längst zum beruflichen Alltag. Hier erzählen wir von fünf dieser Charaktere – mit Zuneigung, einem Hauch Überdruss und dem Wunsch, sie zu verstehen… oder wenigstens über sie zu lachen.

Der Wahnsinnige Entleerer

Auch bekannt als: der Einlauf-Prophet

Man sieht ihn meist zur Nachmittagsschicht auftauchen, mit einem unheimlich ruhigen Auftreten und felsenfester Überzeugung: Den ganzen Bereich zum Stuhlgang zu bringen, ist seine therapeutische Mission. Niemand weiß genau, woher er seine Motivation nimmt, aber er wirkt wie von höherer Macht berufen. Mit feierlicher Miene verteilt er Einläufe wie heilige Gaben, erklärt nach jeder Maßnahme, der Patient sei nun ruhig, gelöst, befreit. Nur dass nachts die Pflegekraft den Preis zahlt: vollgemachte Betten, überforderte Matratzen, Schutzkleidung am Limit. Der Wahnsinnige Entleerer? Schon wieder verschwunden.

Der Verantwortliche für Inkontinenzmaterial

Auch bekannt als: der Hüter der verlorenen Windel

Kein offizielles Amt, kein Namensschild – und doch weiß jede*r: Er ist der Wächter über das Heiligtum der Hygieneartikel. Er kennt jede Packung, jede Größe, jede Lieferung. Wer das falsche Modell auffüllt oder eine Windel zu viel benutzt, wird mit einem strafenden Blick gesegnet, der schlimmer wirkt als jede formelle Abmahnung. Er kennt den Bestand besser als das Lagerverwaltungssystem, merkt sich jedes „Verschwinden“ und kontrolliert mit chirurgischer Präzision den Verbrauch. Und wehe, du greifst zur falschen Saugeinlage…

Die Duschkaiserin

Auch bekannt als: Mit mir duscht sie immer

Wenn jemand bei der Übergabe sagt, eine dementielle Patientin habe die Dusche verweigert, tritt sie mit majestätischer Haltung auf den Plan. “Mit mir duscht sie immer.” Und sie hat recht. Was sie nicht sagt: Es ist eher Judo als Pflege. Wenn du Schreie hörst, Wasser platscht, Shampoo fliegt und ein Stuhl im Gang liegt – sie ist in Aktion. Und doch: Am Ende ist die Patientin sauber, frisiert, parfümiert. Die Methode ist fragwürdig, die Wirkung enorm. Man erinnert sich an sie – mit Ehrfurcht, manchmal mit Angst, meistens mit Dankbarkeit.

Egolux der Gütige

Auch bekannt als: zum Wohl des Patienten

Er ist das moralische Gewissen des Teams. Sanfte Stimme, tiefer Blick, Vokabular wie aus einem Coachingbuch: „präsente Haltung“, „achtsame Pflege“, „Beziehungsqualität“. Hinter dieser Gelassenheit steckt jedoch eine Energiequelle von epischen Ausmaßen: das eigene Ego. Er handelt nie ohne den Satz: „Ich mache das zum Wohl des Patienten“, selbst wenn dieser längst überfordert ist. Alternativen? Werden mit dem Blick des Erleuchteten begegnet: Du bist halt noch nicht so weit. Kein böser Wille, nur tiefe Selbstgewissheit.

Der Bewahrer Anzianotto

Auch bekannt als: Das haben wir immer so gemacht

Er schreit nicht, befiehlt nicht, aber er ist immer da. Und er bringt jeden frischen Wind zum Erliegen. Auf jeden Vorschlag folgt ein Nicken, ein Seufzen, und die ewige Formel: „Das haben wir immer so gemacht.“
Kein Argument, nur Tradition. Kein Dialog, nur Wiederholung. Man liebt ihn für seine Erfahrung, man fürchtet ihn wegen seiner lähmenden Wirkung. Er ist der Spiegel all jener Systeme, die Veränderung als Bedrohung empfinden – und dabei vergessen, dass auch Stillstand ein Risiko ist.

Und bei dir auf der Station?

Kennst du diese legendären Gestalten? Warst du selbst schon einmal eine davon? Oder kennst du noch weitere, die in dieses offizielle Pflege-Bestiarium gehören? Schreib es in die Kommentare. Nicht alles braucht eine Lösung. Manchmal reicht es, gemeinsam zu schmunzeln – oder zu seufzen.

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